Es gab tatsächlich Zeiten, da habe ich dem Parteivorsitzenden der SPD, Sigmar Gabriel, noch zugehört, mich sogar eigens aufgemacht, um einem SPD-Parteitag beizuwohnen. Von drauß vom Wedding kam ich her. Als Beobachter. Als Journalist. Als Mensch mit Interesse an Politik, mit eigenem politischen Kompass. Ohne Parteibuch. Kritisch, äußerst kritisch schon damals gegenüber der politischen Orientierung und Praxis der SPD. Heute mache ich mich nicht einmal mehr dran, zu lesen, was Gabriel zu sagen hat. Als ich aber heute bei Karstadt im Berliner Stadtteil Wedding einkaufen war, fiel mir eine Parallele zu Gabriel auf.
Wie gewohnt bat ich die Käse-Verkäuferin, mir das eigens dafür vorgesehene Papier mitzugeben, das den Käse so schön frisch hält, nachdem ich drei Sorten Käse ausgewählt hatte und wieder einmal feststellen musste, dass nur das erste Stück in jenes Papier eingewickelt worden war, die anderen aber in der obligatorischen Klarsichtfolie verblieben. Bisher machte ich bei meiner Intervention, man könnte direkt von einer Markt-Intervention sprechen, die Erfahrung, dass die jeweilige Verkäuferin, so von mir ertappt, verschämt ein großes Bündel Käse-Papier griff und in die Papiertüte steckte. Viel mehr Papierbögen, als nötig gewesen wären, um die wenigen Stücke Käse, die ich mir manchmal leiste, einzupacken. Dieses Mal aber sagte die Verkäuferin doch tatsächlich: “Aber nur eines. An sich geben wir gar keines mehr. Karstadt geht es ja nicht gut.” Die gute Frau meinte also tatsächlich Karstadt retten zu können, indem sie mir nur ein statt drei Stück Papier für den Käse mitgab. Dass dies mich und andere Kunden sicherlich nicht eben motiviert, weiter dort Käse zu kaufen, kam ihr wohl nicht in den Sinn. Nun kann diese sparsame, um das Wohl ihres Arbeitgebers und Arbeitsplatzes besorgte Verkäuferin sicherlich nichts für die Situation des traditionellen Kaufhauses. Aber ihr Verhalten zeigt, was für Blüten die Betriebswirtschaft des Karstadt-Managements treibt. Jeder normale Arbeitnehmer, wie diese Verkäuferin eben, wäre für solch eine miserable Leistung längst gefeuert worden.
Und so ähnlich verhält es sich eben auch mit Gabriel. Der verkauft zwar konkret keinen Käse, redet aber eben solchen und meint dabei, mit ein bisschen gutem Willen vor seinen Genossinnen und Genossen all seine schlechten Taten wieder gut machen und seine SPD, vor allem aber sein Wahlergebnis als Parteivorsitzender retten zu können. Er ist dabei ein genauso schlechter Verkäufer wie jene Käse-Verkäuferin bei Karstadt, mit dem Unterschied allerdings, dass Gabriel zugleich das miserable Management seines Unternehmens namens SPD zu verantworten hat.
Die eine Käse-Sorte, die ich heute erstanden habe, stinkt bestialisch, aber bestimmt nicht so sehr, wie das Verhalten Gabriels vielen Genossinnen und Genossen stinkt, von den vielen Wählern, die wegen seiner Politik schon seit Jahren nicht mehr zu den Wahlurnen gehen oder wenn, nur, um eine andere Partei als die SPD zu wählen, gar nicht zu reden. Außerdem schmeckt der Käse, die Politik der SPD unter Gabriel und seinen Vorgängern seit Schröder aber schmeckt selbst den meisten ihrer treuesten Anhänger schon lange nicht mehr. 74,3 Prozent aber haben sich immerhin auch auf diesem Parteitag wieder von ihm einlullen lassen. Aber das sind ja selbst Karrieristen, politische Opportunisten wie Gabriel, die für ihn gestimmt haben: Delegierte. Ochsen auf Tour.
Ich hoffe, dass Karstadt dem Wedding erhalten bleibt (damit ich dazu auch weiterhin beitragen kann, abonnieren Sie bitte Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung, kurz: WuG, das Medium also, das Sie gerade mit so großem Vergnügen lesen; das Geld ist in jedem Fall besser angelegt, als für ein SPD-Parteibuch). Auf diese SPD aber kann ich gut und gern verzichten. Dieser SPD wünsche ich sogar eine weitere verheerende Wahlniederlage, schlimmer noch als die im Jahr 2009. Denn eben jenes Wahlergebnis hat gezeigt, dass der SPD 23 Prozent nicht reichen, um Einsicht zu zeigen. Sie brauchen offensichtlich noch weniger Stimmen, viel weniger, um Konsequenzen zu ziehen. Bisher war es noch immer zu spät, bis die SPD zur Besinnung kam. Das historische Muster der SPD geht in etwa so: Erst verfolgt sie ihre Stammwähler solange mit einer Politik, die deren Interessen fundamental widerspricht, bis diese sich in ihrer Mehrheit von der SPD abwenden; die sozialen Folgen dieser Politik bringen andere Parteien nach oben, die das politische Vakuum mit rechten Parolen zu füllen suchen. Am Ende ist die SPD die Verfolgte. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Begonnen aber hat sie mit Politikern wie Sigmar Gabriel, Gerhard Schröder, Franz Müntefering und wie die Totengräber der SPD noch alle heißen.
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